Das Bundesverfassungsgericht erklärt den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig
Was bedeutet das Urteil für Eigentümer und Mieter?
Das Bundesverfassungsgericht hat das geltende Berliner Mietendeckel-Gesetz in einem am gestrigen Tag verkündeten Beschluss für nichtig erklärt. Damit gelten die im Landesgesetz festgelegten Mietobergrenzen ab sofort nicht mehr. Rechtlich verhält es sich nun so, als hätte es den Mietdeckel nie gegeben. Auf viele Menschen, die in Wohnungen mit gedeckelter Miete in Berlin leben, kommen Nachzahlungen zu.
Das Verfassungsgericht stellt mit seinem Urteil klar:
- Das Land Berlin hat keine Gesetzgebungskompetenz, mietrechtliche Vorschriften zu erlassen
- Nachzahlungspflicht der Mieter darf nicht zum Verlust der Wohnung führen
- Bundespolitik sollte Entscheidung nicht zur Einführung einer Bundesregelung missverstehen
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem gestrigen Urteil der Normenkontrollklage der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP vollumfänglich stattgegeben. Das Land hat keine Gesetzgebungskompetenz, mietrechtliche Vorschrift zu erlassen. Hierfür ist allein der Bund zuständig. Mieterhaushalte müssen unter Umständen erhebliche Nachzahlungen leisten.
Nun ist der Bund aufgefordert, seine Regelungskompetenz zügig zu nutzen, um den starken Anstieg der Wohnkosten zu stoppen, fordern sowohl der Deutsche Mieterbund (DMB) als auch die SPD.
IVD-Präsident Jürgen Michael Schick sieht durch das Urteil „[…] die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt. Hierdurch hat es endlich auch Klarheit für Vermieter und Mieter geschaffen.“
Die Vorsitzende des IVD Berlin-Brandenburg, Kerstin Huth, kommentiert das Urteil: „Wir fordern die Berliner Landespolitik auf, sich endlich mit allen Akteuren an einen Tisch zu setzen – im Sinne einer positiven und sozialverträglichen Vision für die weltoffene und wachsende Stadt Berlin.“
Zur Nachzahlungspflicht sagt sie: „Dass die Mieter die nach dem 23.11.2020 zu wenig entrichtete Miete nachzahlen müssen, ist zwar richtig, wird viele Haushalte aber überfordern. Wir appellieren deshalb an alle Vermieter, bei Mietrückständen nicht gleich zu kündigen, sondern gemeinsam mit dem Mieter eine Lösung zu finden. Ab Mai müssen die Mieter die Miete wieder in der Höhe entrichten, wie sie ursprünglich im Mietvertrag vereinbart ist.“
Neben der rechtlichen Betrachtung bleibe die politische Würdigung des Instruments Mietendeckel, so IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. „Durch staatliche Preisgrenzen wird das Mengenproblem nicht gelöst, sondern verschärft. Nur eine engagierte Ausweitung des Angebots, in dem schneller, günstiger und mehr gebaut wird, hilft Wohnungsuchenden aller Einkommensschichten. Die Bundespolitik sollte sich jedenfalls durch die Entscheidung nicht herausgefordert sehen, nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels einen bundesweiten Mietendeckel einzuführen, zumal es bereits weitreichende Beschränkungen durch die Mietpreisbremse gibt. Mietendeckel sind immer auch Investitionsdeckel, bei dem zeitgemäßes Wohnen und Klimaschutz das Nachsehen haben“, mahnt Schick.
Welche Entwicklungen sind jetzt zu erwarten?
In Verbindung mit der durch Politik und Aktivisten aufgeheizten Stimmung in Berlin könnte das Urteil das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern weiter belasten. Vonovia-Chef Rolf Buch etwa fürchtet gegenüber dem SPIEGEL, dass das Urteil den Konflikt eher noch anheizen könnte.
Vorteilhaft wirkt sich das Urteil zumindest mittelfristig auf das Angebot an Mietwohnungen in der Stadt aus. Denn Investoren und Genossenschaften haben jetzt wieder Planungssicherheit und genügend Einkünfte, um auf Eis gelegte Projekte fortzusetzen oder neue anzuschieben.
Klären müssen die Juristen noch, ob der gesetzliche Mietspiegel wieder in Kraft gesetzt werden kann. Das Instrument zur Begrenzung der Mietsteigerungen, gilt nur, wenn die Preise marktgerecht zustande gekommen sind. Wenn man davon ausgeht, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts alles wieder in den Stand vor Erlass des Gesetzes versetzt, dann wäre auch der Mietspiegel wieder gültig. Es ist aber auch denkbar, dass das Instrument zu lange außer Kraft war, um noch das Mietniveau abbilden zu können, das jetzt unter normalen Umständen existierte.
Das hätte zu Folge, dass Vermieter freiere Hand für Mieterhöhungen hätten.
Welche Bedeutung hat das Urteil über Berlin hinaus?
Ganz grundsätzlich hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal die Grenzen, denen die Länder bei ihrer Gesetzgebung unterliegen, deutlich gemacht. Insofern ist die Entscheidung von großer Bedeutung für die Diskussion über die konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern.
Ganz praktisch dürfte sich das Urteil auf die Bestrebungen einzelner Bürgerbewegungen auswirken, die in den Zentren mit angespanntem Mietmarkt ähnliche Initiativen gestartet haben. Klar ist von nun an: Wer die Steigerung der Mietpreise begrenzen will, muss eine Gesetzesinitiative auf Bundesebene starten.
Doch auch auf dieser Ebene wären einem Mietendeckel Grenzen gesetzt: Das in Artikel 14 geregelte Eigentumsrecht, das dem Eigentümer einer Immobilie eine gewisse Bewegungsfreiheit bei der Festlegung des Mietzinses garantiert. Inwieweit der Berliner Mietendeckel diese Freiheit über das erlaubte Maß hinaus eingeschränkt hat, dazu haben sich die Karlsruher Richter nicht geäußert.
16.04.2021
Quellen: SPIEGEL Online, IVD Berlin-Brandenburg
Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Steuer- oder Rechtsberatung im Einzelfall dar. Bitte lassen Sie die Sachverhalte in Ihrem konkreten Einzelfall von einem Rechtsanwalt und/oder Steuerberater klären.
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